Mein Reisemobil. Der Piaggio Porter.

Wie es begann

Es liegt schon viele Jahre zurück. Es war Sommer. Schon seit vielen Jahren lebte ich auf meinem Hof in Bad Belzig, im Land Brandenburg. Hier gab es häufig viel zu tun. So war ich auch den Sommer über viel beschäftigt: Gartenarbeit, Dozentin in Berlin für allgemeine Betriebswirtschaft, Baumhausgastgeberin und Haus- und Hofgestalterin. Viele Aufgaben, die ich zu erledigen hatte, waren auf den Hof und mein Hiersein konzentriert. Genauso hatte ich es gewollt: nicht zu abhängig von externen Arbeitgebern. Autonome Gestalterin meines Lebens. Doch die Selbstbestimmung hatte auch ihren Wermutstropfen. Während viele Menschen die Sommerzeit nutzten, um in den Urlaub zu fahren, war ich an meinen Hof gebunden. So bekam ich immer wieder Fernweh. Ich wollte im Hochsommer nicht unbedingt für mehrere Wochen ans Mittelmeer. Vielmehr sehnte ich mich nach kleinen Urlaubsinseln und Auszeiten vom Hofalltag.  Mich in ein kleines Reisemobil setzten und einfach mal für Momente oder Tage raus aus meinem Alltag, das wäre eine prima Sache!

Sauerkirschblüte im April
April in meinem Garten. Wenn die Sauerkirschbäume blühen ist es wie im Paradies hier!

Mein Traum vom einfachen und präsenten Leben am Hof bekam Risse. In der Erde buddeln und ein schlichtes Leben leben, war dann doch nicht immer nur das pure Glück. Ein erfüllter Traum heißt eben nicht, jetzt ist alles gut und mein Leben bleibt, wie es ist. Zumindest nicht bei mir. Da kommt dann Unruhe auf. Die Wiese ist gemäht, die Obstbäume tragen ihre Früchte, das Baumhaus wird von den Gästen geliebt, das Gelände ist eine Oase.  Doch ich, die für die Realisierung dieses Traumes viele Jahre ihre Aufmerksamkeit und ihre Energie gegeben hat, wollte nun wieder raus in die Welt. Ich wollte nicht mehr nur in meiner kleinen Oase sein.

Der Traum von einfach mal weg!

Wie sollte das gehen? Unterwegs sein. Reisen. Auszeiten außerhalb des Geländes. „Wenn ich doch nur sporadisch und für eine Nacht mal weg sein könnte. Einfach mal etwas anderes sehen! Einfach mal raus aus meinem Alltag.“ Ich träumte von einem kleinen Wohnmobil. Ganz winzig. Nur für mich. Die großen Wohnmobile, die immer häufiger auftauchten, waren für meine Fahrkünste und mich zu groß. Also recherchierte ich im Netz und stieß auf Körmi. Ich verliebte mich sofort in ihr kleines orangefarbenes Autochen, das sie zu einem Reisemobil umgebaut hatte. Ja, so was in der Richtung wollte ich haben. Und dann habe ich im Trubel des Lebens Körmi und ihren orangefarbenen Piaggio Porter wieder vergessen.

Bis mich dann im Jahr 2022  wieder die Sehnsucht von „Einfach mal weg!“ gepackt hat. Eine Freundin von mir meinte: „Dann mach es jetzt. Mach es!“

Die Suche beginnt.

Welches Reisemobil passt zu mir?

So begann ich, im Netz zu recherchieren. Die kleinen, süßen italienischen Piaggio Porters gab es nahezu nicht in Deutschland. Zunächst fand ich einen Daihatsu in einem Autohaus im Ruhrpott und einen ausgebauten Piaggio Porter an der Ostsee. Das war es. Ich machte einen Termin bei diesem Autohaus und fuhr los. Nach fünfstündiger Fahrt kam ich in praller Hitze und trotz Klimaanlage in meinem Opel Adam endlich an. Wie hieß das Autohaus? Ich erinnere es nicht mehr. Er war fest jemenitischer Hand. Der Chef war trotz Termins mit mir abwesend. Keiner wusste Bescheid. Ich war frustriert und musste über eine Stunde auf den Chef warten. Der Daihatsu stand am Hinterausgang des Autohauses auf der Straße und als der Chef dann endlich kam, durfte ich das Auto begutachten. Ich habe einfach keine Ahnung von Autos. Was ich sah, war viel Rost und ein ungepflegtes altes Auto. Es stand wohl lange an einer Kreuzung herum und fungierte als Werbeplakat.

Dann durfte ich mit dem Chef, der eigentlich keinen Bock hatte, auf Gespräche und Erklärungen, eine kleine Runde fahren. Ich stellte während der Fahrt eine Frage zu den Anzeigen auf den Armaturen, da ich den Eindruck hatte, dass da was defekt war.  Da ging ganz unerwartet eine Schimpftirade auf mich nieder. Mein Misstrauen wuchs.

Nach der kurzen Runde sagte mir der Chef, gemeinsam mit seiner Schwester in seinem Verkaufsbüro, dass ich jetzt entscheiden müsste, ob ich das Auto will oder nicht. Ansonsten gäbe es da auch schon einen weiteren Interessenten. Für mich war da gehörig was faul. Nein. Unter Druck wollte ich nicht kaufen.

Vom Ruhrpott an die Ostsee und wieder zurück

Enttäuscht, dass ich diese lange Fahrt ohne ersichtlichen Kauferfolg zurückgelegt hatte, beschloss ich weiterzufahren, an die Ostsee und mir den ausgebauten Piaggio Porter anzusehen.

 

Ein perfekt ausgebauter Piaggio. Zu perfekt für mich.

Was für ein Unterschied: eine junge Frau empfing mich. Das Auto war tipptopp ausgebaut und hatte alle erdenklichen Zusätze: eine zweite Batterie, Verdunkelungsvorhänge rund um; Elektrik unter der schönen grauen Filzverkleidung, ein hohes Bett, damit darunter noch eine Chemietoilette Platz hatte und eine Duschvorrichtung in der Heckklappe eingebaut.

Es schaute von innen wie außen perfekt aus. Ein Camper im Kleinformat, perfekt ausgebaut. Aber: wollte ich so ein fertig ausgebautes Auto? Entsprach das meinen Bedürfnissen? Benötigte ich eine Chemietoilette im Auto, eine Dusche in der Heckklappe und ein Solarpanel, das zusätzlich in diesem winzigen Auto verstaut werden musste? Was beim anderen Auto zu schrottig und rostig war, war hier alles ein wenig zu perfekt und oversized.  Und klar, bei so viel Ausbauarbeit hatte der kleine Piaggio auch seinen Preis: 10.000 EUR.

 

Übernachten am Wasser. Baden im See.

Das war es dann auch nicht. Ich wollte auch selbst Hand anlegen, ausbauen oder wenn nötig, mir auch helfen lassen beim Ausbau. Lieber ein preiswertes Auto und es nach meinen Wünschen umgestalten. Gut. Nach vielen Kilometern und einer Übernachtung am Wasser in meinem kleinen Opel Adam war mir nun klar, was ich wollte. Einen Piaggio Porter den ich mit fachlicher Unterstützung selbst ausbauen konnte. Nach einer überraschend gut durchgeschlafenen Nacht zusammengefaltet in meinem Opel Adam fuhr ich am nächsten Morgen noch an einen See, den mir die neugierigen Fahrradfahrer, die mich ansprachen, empfohlen hatten. Unterwegs traf ich noch einen Spaziergänger, mit dem ich länger redete und meine Gewissheit, dass solch eine Form des Reisens für mich eine gute sein könnte, wuchs.

Ich suchte weiter und wurde fündig.

Ab nach Nürnberg mit dem 9-Euro-Ticket

In Nürnberg gab es auch einen Piaggio Porter. Er sah ziemlich ramponiert aus. Hatte aber fast neuen TÜV und warum auch immer dachte ich: Der ist es.

Ich fuhr mit dem 9-Euro-Ticket nach Nürnberg. Allein diese abenteuerliche Zugfahrt in überfüllten Zügen, Zugausfällen, Warten, Menschen bestaunen, verrückte Zugbegleiter, war ein Abenteuer für sich.

Als ich dann endlich am späten Nachmittag in Nürnberg ankam, war da alles anders als besprochen. Der Verkäufer konnte mich doch nicht abholen und sagte mir, mit welcher Regionalbahn ich jetzt wohin fahren solle. Da holte mich dann sein Kollege ab. Was ein Anblick! Ein gestählter Körper, dunkle Sonnenbrille, viele Tattoos und ein tief gelegter Sportwagen, der laut röhrte. Wo war ich denn da jetzt wieder gelandet?

In einem Industriegebiet stand er dann, der kleine Piaggio. Der Verkäufer lieferte mir gleich seine Kurzvita: „Das Einzige, was ich gut kann, ist verkaufen. Ich renoviere Fassaden. Habe mit einem Kollegen ein Café, bin reich und Autos sind meine Leidenschaft.“ Er zeigte mir seinen Porsche im Hinterhof und sein edel ausgebautes Wohnmobil auf seinem Handy.

Auf der Straße stand der Piaggio Porter. Klein, schwarz und mit allerlei Stickern beklebt.

Der Piaggio sei top in Schuss, alles einwandfrei.

Optisch sah er alles andere als top in Schuss aus. Mit einer Rolle schwarz lackiert, mit unsäglich vielen und hässlichen Tattoos und Sprüchen beklebt. Beulen in der Heckklappe. Lockerer Außenspiegel. Eine Fensterscheibe, die beim zu tiefen Herunterkurbeln in der Fahrertür verschwindet. Ein umgebauter Anlasser für das Gefühl, dass man ein Rennauto startet. Kurzum sah es nach verdammt viel Arbeit aus, dieses Auto in einen ansehnlichen Zustand zu bekommen. Und ob es wirklich ansonsten technisch okay war, konnte ich natürlich nicht sagen.

Frauen kaufen Autos anders

Ich durfte ihn allein Probefahren. Er fuhr. Und sonst? Unschlüssig stand ich vor dem Auto. Ich wollte dieses Auto einfach haben, obwohl Schwarz weit entfernt von meiner Lieblingsfarbe war. Obwohl er sehr ramponiert aussah und der Verkäufer keineswegs einen seriösen und vertrauensvollen Eindruck auf mich machte.  So tat ich etwas voll Untypisches für mich.

Ich legte das Geld bar auf den Tisch, nahm die Autopapiere an mich und fuhr mit meinem neuen Auto heim. Kein Kaufvertrag, kein ADAC-Check – nichts. Ich wollte einfach dieses Auto haben. Im Gegensatz zu den Autokaufstudien, die erforschen, wie Frauen Autos kaufen, gehörte ich in diesem Fall nicht zu Kategorie Frau, die sich von einem Mann beraten lässt. Ich denke, hätte ich auf den guten Rat eines Fachmanns gehört, dann wäre das Auto nicht in meinen Besitz übergegangen.

Auch wenn die Fensterscheibe in die Tür fiel, wenn ich sie zu weit herunterkurbelte. Auch wenn sich die Sitze nur mit viel Kraft verstellen ließen. Auch wenn es hässlich und ramponiert aussah und ich wahrscheinlich etwas, zu viel Geld gezahlt, hatte. All das war mir in diesem Moment der Kaufentscheidung egal. 

So fuhr ich mit dem Piaggio heim und war vollkommen euphorisiert. Ich hatte es getan: nach jahrelangem Zögern und Zaudern.

Ich kam glücklich und zufrieden in Bad Belzig an.

Die Meinung der anderen

Als mein Freund Rüdiger dann das Auto kurz fuhr, bekam meine Freude einen gehörigen Dämpfer. Es war heiß und Rüdiger wollte das Fenster öffnen. Er kurbelte und zack, es war verschwunden in der Autotür. Dann wollte er den Sitz verstellen, damit seine langen Beine Platz fänden. Das ging aber nicht. Der Sitz war fest verschmolzen mit der Schiene. Ich war schon mit meinem Opel vorgefahren und habe das Desaster gar nicht mitbekommen. Als er allerdings dann hier mit meinem neu gekauften Auto ankam und mich ansah, war klar: Oh, er findet das Auto definitiv nicht so toll wie ich. „Was hast du denn da gekauft?“, fragte er ungläubig.

Und die Erfahrung musste ich zu Beginn mehrmals machen. Für die meisten Männer war das kein Auto, sondern ein Pappkarton, eine Schubkarre mit vier Rädern oder einfach ein seltsames Gefährt.

Allerdings für viele Frauen war der Piaggio wiederum ein soooo süßes Auto.

Bis heute kann ich das feststellen. Der Piaggio ist eindeutig ein Minicamper, der das Herz vieler Frauen höher schlagen lässt.  Männern verursacht der Anblick, bis auf wenige Ausnahmen, eher ein Kopfschütteln und ein ungläubiger Blick.

 

Nürnberg, Sommer 2022. Hier sitze ich in dem Auto,
das ich in wenigen Minuten kaufen werde.

2 Kommentare zu „Mein Reisemobil. Der Piaggio Porter.“

  1. Omg
    Super geschrieben
    Ich konnte mich gleich wieder in die Zeit zurückversetzen
    Das ist wirklich angenehm, spannend zu lesen, wahrscheinlich falsch ausgedrückt …
    Es macht Spaß, fiebert mit, darf teilhaben
    Ich empfinde, dass du dich so auch vollständig ausdrückst
    Kompliment

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