Umgang mit »Nicht gut genug«

Ich habe zu meiner Blogparade mit dem Thema »Nicht gut genug. Ist das wirklich wahr?« aufgerufen. Nun schreibe ich hier meinen eigenen Blogartikel zu diesem Thema.

Wenn du Lust hast, dich mit einem eigenen Blogartikel zu beteiligen, freue ich mich sehr. Verlinke deinen geschriebenen Blog dann in der Kommentarleiste des Einladungsblogs. Ich bin neugierig auf deine Geschichten. Wann taucht bei dir der Gedanke »Nicht gut genug« auf und wie gehst du damit um? Erzähle uns gerne deine Geschichte und lass uns an deine Erfahrungen teilhaben.

Einsichten und Entspannung mit Bilderwelten

Carola – mein Apfelbaum der Erkenntnis

Mein Apfelbaum Carola trägt viele gut Äpfel; einige faule gibt es auch.

In meinem großen Garten steht ein alter Apfelbau mit dem Apfelsortennamen Carola. Carola trägt Jahr für Jahr viele leckere Äpfel. ABER: Carola hat eine Angewohnheit: Sie hat nicht nur schöne rote, saftige, leckere Äpfel, sondern auch faulige Äpfel. Die Äpfel hängen eng beieinander. Und so greift ein fauliger Apfel manchmal seinen Nachbar an und der wird dann auch faulig. Jahrelang habe ich diesen Vorgang überhaupt nicht bemerkt. Doch eines Tages begriff ich, dass Carola zunehmend mehr faule Äpfel bekommt, wenn ich die faulen Äpfel im Baum lasse. Als ich das begriff, ging ich zu Carola und pflückte die faulen Äpfel aus dem Baum. Das mache ich nun Jahr für Jahr und habe so eine gute neue Gewohnheit für mich etabliert. Das Ergebnis: insgesamt viel weniger faule Äpfel. Kaum Übertragung oder Ansteckung.

Mein fauler Apfel im Kopf: »Nicht gut genug«

Ahnst du schon, was diese kleine Geschichte mit dem Gedanken, »Ich bin nicht gut genug«, zu tun hat? Genau! Dieser Gedanke »Ich bin nicht gut genug« ist wie ein fauler Apfel. Wenn ich nicht bemerke, dass ich gerade mal wieder in meinem Glaubenskonstrukt gefangen bin, dann kann dieser Gedanke eine wahre »Nicht-gut-genug-Epidemie« in mir auslösen. Er steckt sozusagen meine Nachbargedanken an und verführt mich, Beweise zu finden, dass der Gedanke »Ich bin nicht gut genug« wahr ist. Das geschieht in Sekundenschnelle, meist ganz unbemerkt. Und plötzlich sitze ich wie gelähmt da und sehe vor lauter faulen Äpfeln gar nicht mehr den wunderschönen Apfelbaum, der voll hängt mit leckeren, guten, nicht faulen Äpfeln. Ich sehe nicht mehr mein Gut sein, sondern erinnere mich an meine Nicht-Gut-Genug-Geschichten. Mein Geist denkt an all diese Ereignisse aus der Vergangenheit. Und meine fröhliche Stimmung schwindet. Ich fühle mich belegt und beschwert.

Lieber aussortieren als eine „Nicht-gut-genug-Epidemie“ zulassen.

Fazit: Bemerke den faulen Gedanken in deinem Gehirn und gebe ihm keine Möglichkeit, sich zu vervielfältigen!

Ich setzte ein Stopp hinter »Ich bin nicht gut genug«

Kommt der Gedanke: »Ich bin nicht gut genug« kann ich mich an Carola erinnern und was passiert, wenn ich diesem Gedanken Kraft und Zustimmung gebe. Ich erinnere mich, dass ich gut daran tue, mein Gedankenkarussell zu stoppen. Anstatt weiter nach Belegen zu suchen, die mir beweisen, dass ich nicht gut genug bin, steige ich aus und trete keine Reise in die Beweisführung und in die Vergangenheit an. So sortiere ich den faulen Apfel aus und lasse mich nicht weiter verführen. Doch wie ist es möglich, Gedanken zu stoppen?

Ich mache mich mit dem Gedankensatz »nicht gut genug« vertraut

Ich habe mich jahrelang geärgert, dass dieser schöne Apfelbaum von Tag zu Tag immer mehr faule Äpfel an seinen Ästen hat. Da ich mich mit Apfelbäumen und mit dem Gärtnern nicht auskannte, wusste ich einfach nicht, dass es möglich ist, der Fäulnis Einhalt zu gebieten. Ich musste mich mit meinem Apfelbaum und seinen Eigenheiten erst einmal vertraut machen. Das tat ich, indem ich den Apfelbaum beobachtet. Außerdem las ich in Gartenbüchern nach und fragt Leute, die sich auskannten. Und schließlich probierte ich die verschiedenen Lösungsmöglichkeiten aus.

Und so mache ich es auch mit meinen Gedanken. Ich sortiere aus! Ich glaube mir nicht mehr alles, was ich denke. Ich selbst übe mich darin, gerade schmerzhafte Gedanken auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Könnte das ein fauler Gedanke sein?

Ist das die Wahrheit oder ein Glaubenssatz, dass ich nicht gut genug bin?

In meinem Gehirn gibt es keinen Mangel an Glaubenssätzen und ich gehe meinem Glaubenssatz »Nicht gut genug« immer wieder auf dem Leim:

  • Wird dieser Artikel gut genug?
  • Ist meine Expertise gut genug?
  • Ich, schreiben – kann ich das?
  • Mein Garten – gut genug gepflegt?
  • Mein Aussehen – schön genug?
  • … Happy Listening

Diese Sätze und Selbstgespräche in meinem Gehirn sind an sich noch kein Problem. Das werden sie erst, wenn ich diese Sätze glaube und dann im nächsten Schritt denke: Ich habe ein Problem, das ich lösen muss.

Ich muss das Problem lösen! Ist das wirklich wahr?

Es gab Zeiten in meinem Leben, da hatte ich keinen Zugang zu dem Satz, nicht gut genug. Ich habe meinen faulen Apfel in meinem Gehirn überhaupt nicht erkannt. Ich habe gar nicht bemerkt, dass meine Gehirn andauernd Sätze formuliert.

Es kamen die Krisen. Liebeskummer, ein Job, der mir nicht gefiel, Neuorientierungen, Umzüge, … eben der ganz normale Lebenswahnsinn. Die Krisen nahmen zu, die Ratschläge, was hilft, auch. Ich habe Ausbildungen gemacht und Seminare besucht, immer mit dem Wunsch meine Probleme zu lösen, mich zu verbessern und ein selbstbestimmtes und glückliches Leben zu leben. Doch es geschah etwas Seltsames: Je mehr ich über mich erfuhr, je mehr Verbesserungskurse ich machte, umso mieser fühlte ich mich letztlich. Meine faulen Äpfel vervielfältigten sich. WARUM? Weil ich nicht erkannte, dass der Glaubenssatz »Ich bin nicht gut genug« eben ein Glaubenssatz war. Also die Annahme von meinem nicht gut genug sein verursachte die Problemgedanken. Und dann im nächsten Schritt Panik und losrennen, um dieses erdachte Problem zu lösen. Diesen Kreislauf immer wieder aufzudecken und zu erkennen ist wie Unkraut jäten im Garten. Eine notwendige Disziplin. Sonst erdenke ich mir andauernd neue Probleme!

Eine Disziplin, die aus dieser Erkenntnis bei mir gerade entsteht: Wenn ich bemerke, dass mein Gehirn mir gerade mal wieder ein Problem präsentiert, das unbedingt gelöst werden muss, setze ich präsent dagegen: „Nö! Das ist kein Problem! Ich muss weder mich noch die Situation verbessern.“

Was, wenn alles okay ist, wie es ist?

Ich höre ihn schon: den großen Aufschrei in mir: „Nein! Niemals. Wie kommst du darauf, dass alles okay ist? Bist du verrückt?“ Und die 1000 Argumente, warum eben nicht alles okay ist und ich selbst schon mal nicht! Achtung, hier könnte schon wieder die Argumentationsauflistung beginnen. Oder eben nicht, wenn ich nicht auf den Problemzug aufspringe und mich auf den neuen Gedanken einlasse: So wie ist, ist es okay. Ich bin okay. Mein Leben ist okay. Ich bin gut genug!

Wenn es mir gelingt dem Problemgedanken »nicht gut genug« keine Aufmerksamkeit zu schenken, dann kann etwas sehr Überraschendes geschehen; zumindest ist das in meine Leben so immer wieder passiert: Eine Entspannung tritt ein. Der Kopf wird still. Ein Gefühl von Einverstandensein breitet sich aus und das Wahrnehmen von: So wie es ist, ist es gut. Jetzt. Hier. In diesem Moment ist es gut.

Meine Wahrheitssuche hat mich zu vielen Lehren und Lehren geführt. Eine Lehre kehrt immer wieder zu mir zurück: Advaita. Non-Dualismus. Einverstanden sein mit dem, was ist. Jeden Widerstand aufgeben. Ich habe es häufig erfahren: Gelingt das, dann ist Ruhe und Frieden in mir.

Sonnenaufgang in Kroatien. Das ist wahrlich gut genug!

Zulassen, was gerade da ist

Im Laufe der Jahre habe ich gelernt zuzuhören. Was erzähle ich mir, tagein, tagaus? Und was erzählen mir die anderen über mich? Muss ich all diesen Ideen und Gedanken glauben?

Wenn ich schlechte Gedanken über mich habe: Ich bin nicht liebesfähig, ich habe es mal wieder vermasselt, alle anderen können das, nur ich nicht, … dann erzeugen diese Gedanken ein ungutes Gefühl in mir. Und dieses ungute Gefühl will ich so schnell wie möglich weg haben. Wenn ich diesem schnell-weg-haben-wollen folge, dann kommt es zu den klassischen Übersprungshandlungen: eine Freundin besuchen, ein Stück Kuchen essen, ein Gläschen Alkohol trinken, joggen gehen, ne Zigarette rauchen, etwas tun, was mich gut fühlen lässt. Wenn ich jedoch nicht wach bin, mit dem Gedanken, der dieses schlechte Gefühl erzeugt hat, dann muss ich meine Notfallhandlung andauern wiederholen. Denn ich mache eine Symptombehandlung. Ich pflücke den faulen Apfel nicht aus Baum, weil ich ihn gar nicht sehe.

Um den faulen Apfel im Baum zu sehen, muss ich zur Ruhe kommen und mit dem, was ich denke und fühle, präsent sein. Es ist dieses – ahh – ich fühle mich gerade traurig, unmotiviert, einsam, ängstlich,… Das ist die Grundvoraussetzung für das berühmte loslassen. Erst mal muss ich wissen, was ich loslassen will.

Loslassen beginnt im Kopf

Ich habe Jahrzehnte mit der Frage zugebracht, ob es die Gefühle sind, die bestimmte Gedanken auslösen oder ob Gedanken, bestimmte Gefühle auslösen. Und ich habe lange keine befriedigende Antwort auf diese Frage gefunden.

Mittlerweile ist die Gehirnforschung in Meilenstiefeln vorangeschritten und die Annahme, dass alles im Kopf beginnt, wird langsam salonfähig und drückt sich in den Worten von Talmud wunderbar aus:

»Achte auf deine Gedanken, denn sie werden zu Worten. Achte auf deine Worte, denn sie werden zu Handlungen. Achte auf deine Handlungen, denn sie werden zu deinen Gewohnheiten. Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden zu deinem Charakter.«

Ich teile die Annahmen, dass es die Gedanken in unserem Kopf sind, die unser Leben bestimmen. Und somit ist es sinnvoll, bereits die Gedanken im Kopf zu überprüfen, bevor sie sich in unserem Leben als Handlung und Charakter manifestieren.

The Work hilft bei »nicht gut genug«

Es ist lange her, dass ich mir das Buch von Byron Katie „Lieben was ist“ gekauft habe. In diesem Buch beschreibt Katie, wie sie The Work anwendet. The Work ist eine Methode, die Glaubenssätze, die wir denken, zu erkennen und im besten Fall als nicht wahr in uns erleben. Für mich ist The Work ein hervorragendes Instrument für die Überprüfung von meinen Meinungen, Annahmen und Selbstgesprächen.

Und wenn ich mir die Frage stelle: Ist es wirklich wahr, dass ich nicht gut genug bin und tief in mich hinhöre, dann komme ich mit meiner Antwort in Verbindung. „Nein, es ist nicht wahr, dass ich nicht gut genug bin.“

Das, was ich bin, ist immer und jedem Moment gut genug. All diese Zuschreibungen von Minderwertig habe ich im Laufe meines Lebens über mich gelernt. Ich habe mir so zusagen eine Gedankengewohnheit antrainiert, einen Automatismus. Und was ich über mich gelernt habe, kann ich auch wieder verlernen.

Und so pflücke ich die falschen Annahmen über mich wie faule Äpfel aus meinem Gehirn.

Immer und immer wieder.

Ich erinnere mich selbst an meine tiefe Wahrheit: „Ich bin gut genug!

Gut genug!

6 Kommentare zu „Umgang mit »Nicht gut genug«“

  1. Pingback: Zusammenfassung meiner Blogparadenzeit

  2. Pingback: Ruheinseln im Alltag, eine gute Gewohnheit

  3. Liebe Heike, das ist so ein wunderbarer und wertvoller Artikel. Der Vergleich mit dem Apfelbaum ist super und gefällt mir sehr. Spannend finde ich, dass du Jahrzehnte mit der Frage zugebracht hast ob es die Gefühle sind, die bestimmte Gedanken auslösen oder ob Gedanken, bestimmte Gefühle auslösen.
    Danke für die Einblicke mit deinen Erfahrungen und Erlebnisse.

    Ich habe früher einen Blogartikel geschrieben, mit dem Thema: Warum der Glaubenssatz ich bin nicht gut genug, nicht stimmt.
    Mit diesem Artikel möchte ich an deiner Blogparade teilnehmen.

    Ich wünsche dir viel Freude und Erfolg bei deiner wertvollen Arbeit.

    Herzliche Grüße von Anita. ❤️‍♀️

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  5. Pingback: Nicht gut genug. Ist das wirklich wahr? (Blogparade)

  6. Du hast diesen Prozess so wunderbar beschrieben; eine schöne Reise
    Manchmal ist die Reise einfach schön, macht Spaß, ist kurzweilig, frau lässt sich ein.
    Manchmal ist diese Reise beschwerlich, langatmig, ich werde ungeduldig, möchte vielleicht nicht loslassen.
    Aber egal, mit dir zusammen sind die Reisen oft überraschend, abenteuerlich, leichter. Vielleicht sogar mit einer schönen Zusatzrunde wegen der Aussicht.
    Schön, dass es dich mit den Äpfeln gibt

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