Wutwege, ein biografischer Einblick

Anita hat zu ihrer Blogparade eingeladen und fragt, welche Strategien wir haben, um mit Wut umzugehen. Da mir dieses Thema gut gefällt, bin ich ihrer Einladung gefolgt, einen Blogartikel darüber zu schreiben. Beim Nach- und Zurückdenken habe ich festgestellt, dass ich im Laufe meines Lebens unterschiedliche Wutstrategien entwickelt habe. Meine Wut und ich sind einen intensiven und abwechslungsreichen Weg miteinander gegangen. Hier kommt ein kleiner Einblick in meinen Wutweg: acht mögliche Wutstrategien sind es geworden.

Meine Wut-Biografie-Schnipsel

Da ich eine Liebhaberin von Biografiearbeit bin, gebe ich dir ein paar biografische Blitzlichter zu meinem Wutweg.

Acht Möglichkeiten, wie ich im Laufe meines Lebens mit meiner Wut umgangen bin, sind im Rückblick aufgetaucht,

Bücher fliegen an die Wand

In meinen Teenagerzeiten war ich davon überzeugt, dass es gut und richtig ist, all meine Gefühle auszuleben. Ich hatte dafür ein inneres Bild: Die Gefühle sind so vielzählig wie die Farbpalette meines Wasserfarbenkastens. All diese bunten Gefühle wollten ausgedrückt und gelebt werden.

Wut als Teil der Emotionspalette.

Wut gehörte in mein Farbenset. Noch heute erzählt meine Mama von meiner Teenager-Wutstrategie: „Wenn dir was nicht gepasst hat, dann bist du in dein Zimmer, hast die Tür zugeschlagen und deine Schulbücher an die Wand geschmissen.“ Stimmt. So war das. Ich fand das richtig und wichtig. Meine Eltern ließen mich gewähren und kommentierten meine Wutausbrüche nicht weiter. So hatte ich für mich etwas gefunden, was mir half und niemanden weh tat.

Dann kamen die tiefen und wilden Gefühle von Liebe; erwachende Sexualität; Studium und Berufseinstieg. Meine 20er waren so voll mit Neuem, dass meine Wut in den Hintergrund trat. Andere Gefühle aus dem Wasserfarbensortiment wollten gelebt und integriert werden.

Wut und Blut

Anfang 30 verließ ich die Businesswelt von PR-, Event- und Marketing-Management und vertiefte mich in die Körper- und Frauenarbeit. Gemeinsam mit Mayona Bliss organisierte ich eine sechswöchige Frauenzeit auf Lanzarote. Wir wollten unser wildes Frausein erforschen. Während dieser intensiven Forschungsreise nahm ich wieder Tuchfühlung mit meiner Wut auf. Ich versuchte mir zu erklären, wieso ich manchmal so wütend war.

Einen Erklärungsansatz fanden wir damals bei Louisa Francia. Sie hatte ein Buch mit dem Titel Drachenzeit geschrieben. Darin erklärt sie, warum wir Frauen kurz vor unserer Blutung häufig zu Furien werden.

Louisa meint, dass wir unsere Wut nutzen können, um uns bewusst zu machen, womit wir nicht einverstanden sind. Und dann während unserer Blutung all das aus unserem Körper entlassen können. Dieses Bild hat mir oft geholfen und ich mag es bis heute. Die Erinnerung, dass wir Frauen zyklische Wesen sind und uns unseren Zyklus bewusst zu eignen machen können, finde ich äußerst wertvoll.

Die verborgenen Kraft der Menstruation.

Kali und Wut

Die Göttin Kali war lange Zeit meine Lieblingsgöttin. Mit ihr verband ich das Bild der heiligen Wut. Kali war für mich eine, die ihre Wut lebte und ausdrückte. Wut als reinigendes Gewitter. Da wird nichts angestaut, sondern die Dinge kommen auf den Tisch und werden benannt. Altes, was keine Überlebenskraft mehr hat, wird herausgeschmissen aus dem Leben. Da kann es schon mal laut werden und hoch hergehen. Kali hat das Schwert und die Totenköpfe. Sie hat eine klare Position. Sie weiß, was sie will und was nicht. Kali steht dafür, dass alle Verhaftungen überwunden werden.

Reinigende, heilige Wut symbolisiert Kali für mich.

Schwitzen, um Wut abzugeben

In meinen 30ern habe ich die Frauenschwitzhütten für mich entdeckt. Im Raum von Frauen erzählen, was los ist. Gemeinsam die Hütte aufbauen und das Feuer entfachen.

Das Feuer entfachen, Schwitzen um uns zu reinigen.

Und dann in der Zeremonie alles abgegeben, was wir nicht mehr haben möchte. Bis heute praktiziere ich Schwitzrituale, um mich von lästigen, alten Energien, Glaubenssätzen und Verhaftungen zu befreien. Meine kleinen Fasssauna, nutze ich manchmal als Ritualhütte und schwitze und singe, was das Zeug hält. Und weil ich nun auch wieder stolze Besitzern einer Thermenjahreskarte bin, kann ich schwitzen gehen, wann immer ich will. Schwitzen für Lösung und Entspannung. Herrlich!

Atmen mit der Wut

Wie ich mit dem Atem an tief sitzende Blockaden und tiefe Emotionen kommen kann, habe ich in vielen Workshops und Atemsession erfahren dürfen. In meine 40ern habe ich das holotropes Atmen praktiziert. Welch Glück, dass es damals jeden Samstag eine Quantum Light Session ganz in meiner Nähe gab. Atmen, weinen, schreien, fühlen, lösen, das tat ich regelmäßig am Samstagmorgen, mit vielen Anderen. Bis heute kann ich in Atemsessions weit in meine Vergangenheit reisen und mich frei atmen von dem, was mich schmerzte, beengte und wütend macht.

Über die Wut schreiben

Als Liebhaberin des emotionalen und intuitiven Schreibens hilft mir auch das. Ungefiltert aufschreiben. Alles benennen, was so richtig doof ist und mich komplett wütend macht. Das ist gut! Und dann im Anschluss lasse ich das Geschriebene meist ein wenig liegen. Dann lese ich es noch mal durch, manchmal lese ich mir alles laut vor, um dann im besten Fall das Papier genüsslich zu zerreißen.

Gewaltfreie Kommunikation und Wut

In meiner Ausbildung zur Trainerin in gewaltfreier Kommunikation habe ich ein sehr hilfreiches Werkzeug kennengelernt. Es heißt, die Wut verdampfen. Diese Übung beginnt damit, dass ich mich voll in meine Wut hineinwerfe und sie so lange erhitzen, bis sie im wahrsten Sinne des Wortes verdampft ist. Und dann geschieht etwas sehr Erstaunliches: Es wird eine weitere Schicht sicht- und fühlbar: Hinter der Wut liegt meistens Traurigkeit, Verletzlichkeit und Angst.

Die Wutglaubenssätze überprüfen

Seit meiner Grundausbildung in the Work greife ich sehr gerne zu der Glaubenssatzüberprüfung. Mit vier Schritten komme ich den Glaubenssätzen auf die Spur, die hinter der Wut liegen. Nach dem System von The Work und der Umkehrarbeit überprüfe ich den Wahrheitsgehalt meiner Wutgedanken. Meist wird mir dann klar, dass meine Wut ein Weckruf ist und ein Ablenkungsmanöver von mir selbst.

The Work von Byron Katie. Ein wahrer Wutverdampfer!

Das Land des Vergessens – Triggerpunkte

Ja. Da habe ich so viele verschiedene Möglichkeiten, mit meiner Wut gut und konstruktiv umzugehen. Und – klappt das immer? Natürlich nicht. Ich bin ein impulsiver Typ und nicht wohltemperiert habe ich in meinem Blogartikel geschrieben. Ich habe eine große Emotionsgeschwindigkeit: von 0 auf 100 in wenigen Sekunden. Wenn ich gestresst bin, springen meine Triggerpunkte auch heute noch an und dann kann es passieren, dass ich die Fassung verliere. Manchmal sind laute, wütende Worte ein reinigendes Gewitter. Sie können aber auch in einer eher sinnlosen Streittirade enden. Ich bin dankbar, dass ich auch für meine Ecken und Kanten und meine unperfekte Seite robuste Sparringpartner habe. Dankbar, dass ich jemanden habe, der auch mal mit mir streitet und dann ohne großes Tamtam wieder mit mir in die Normalität des Alltags zurückkehrt. Danke, dass ich auch mal vergessen darf, was ich gelernt habe.

Das Land der Wachheit

Ich erlebe jedoch auch genau das Gegenteil: Da sind sie wieder, die Triggerpunkte. Und ich erkenne sie! Ich steige nicht in meinen Emotionsbeschleuniger, sondern bleibe wach und anwesend. Es ist eine sehr kurze Zeitspanne, in der das Stoppen der Emotionen für mich möglich ist. Und genau das übe ich immer wieder. Anstatt den Triggergedanken zu folgen, identifiziere ich sie als Triggergedanken und als unwahr. Das ist wirklich wunderbar. Wenn ich merke, dass ich dieses Mal eine Wahl habe und ruhig bleiben kann. Anwesend. Keine heißen Emotionen. Keine Wut. Nur stilles Gewahrsein und beobachten, was passiert. Auch für diese Erfahrungen bin ich sehr dankbar.

Fazit

Danke, liebe Anita, für dieses wunderbare Thema. Es war schön, meine Wutwege noch einmal zu erinnern. Und schön, zu wissen, dass ich viele Werkzeuge habe, um mit meiner Wut umzugehen.

Ein Selfi aus dem Monat Juli

2 Kommentare zu „Wutwege, ein biografischer Einblick“

  1. Pingback: Ruheinseln im Alltag, eine gute Gewohnheit

  2. Liebe Heike herzlichen Dank für die Teilnahme an meiner Blogparade und den sehr interessanten und informativen Artikel.
    Die Glaubenssätze aufzustöbern, zu hinterfragen und aufzulösen ist dabei sehr heilsam.
    Das Thema Frau Sein und wie wir mit der Monatsblutung umgehen, finde ich auch interessant. Es ist sehr wertvoll, wenn wir das als Reinigungsprozess verstehen.

    Ich möchte bei deiner Blogparade auch einen Beitrag schreiben.

    Ich wünsche dir viel Freude und Erfolg bei deiner so wertvollen Arbeit.

    Herzliche Grüße von Anita ❤️‍♀️

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